Die Heimzahlung

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Willi Neumann: „Als ich diesen Bericht, – Aprilausgabe „Windjammer”, Mitteilungsblatt der MK-Koblenz – gelesen habe erinnerte ich mich an unseren Sperrwaffengefreiten Kalle Klün auf dem KM-Boot „Cuxhaven” und glaube, dass dieses die ein- und selbe Person ist.”

25. März 2010

Die „Schleswig” lag bei A&R (Abeking & Rasmussen) in LEMWERDER zur Routineinstandsetzung im Dock. Solch eine Werftliegezeit ist immer eine langweilige Sache.

Da fährt man schon ganz gerne einmal zur Abwechslung nach Feierabend mit der Fähre hinüber nach BREMEN-VEGESACK auf der anderen Seite der Weser, um durch die Straßen zu bummeln oder auch ein Bierchen zu trinken.

Der Sperrwaffenmeister der „Schleswig”, Oberbootsmann Kalle Klün, hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, jeden Abend in einem Vegesacker Lokal ein Bier zu trinken; wirklich nur ein Bier, nicht mehr. Das hielt er willensstark und eisern durch. Der Wirt mochte sich wohl über den sparsamen Gast geärgert haben, der da eine Weile auf dem Hocker an der Theke saß, sein Bier langsam ausnippte, zahlte und dann ging.

Einmal machte der Wirt so laut, dass alle es hören konnten, abfällige Bemerkungen über die Bundesmarine. Das wären doch keine Männer, die leisten doch nichts und vertragen schon gar nichts, wir damals… usw., usw.

Kalle Klün hörte sich die Sticheleien ein paar Tage lang an. Dann war er am Zuge. Er kam, bestellte sein Bier, trank es aus und sagte: „Zahlen, bitte!“, „Macht 2,60 DM.“ Holte genau abgezählt 26 Zehnpfennigstücke aus der Tasche und warf die 26 Groschen dem Wirt gegen den Bauch. Die Geldstücke kullerten hinter der Theke herum.

Schnaufend klaubte der Wirt sie zusammen und schimpfte. Kalle Klün wartete, bis er alle aufgelesen hatte und fragte: „Na, stimmt’s?“. Dann verließ er mit einem fröhlichen „Guten Abend“ die Kneipe.

Am nächsten Abend tauchte Kalle Klün zur gewohnten Stunde wieder auf, bestellte sein Bier für 2,60 DM und zahlte wie am Vortage mit 26 Zehnern, die er dem fluchenden Wirt hinter die Theke warf.

Am folgenden Abend erschien Kalle Klün zur üblichen Zeit und bestellte sein Bier. Dem Wirt traten die Schweißtropfen auf die Stirn. Doch Kalle schienen die Groschen ausgegangen sein.

Er legte, um seine Zeche begleichen zu können, ein Fünfmarkstück auf den Tresen. In den Augen des Wirtes blitzte ein teuflisches Lächeln auf.

Jetzt war der Zeitpunkt der Heimzahlung gekommen!

Er schlürfte zur Kasse und zählte als Wechselgeld 2,40 DM in 24 Zehnpfennigstücken ab. Die warf er im hohen Bogen in den Schankraum; „Da haben Sie Ihr Wechselgeld zurück!“. Er grinste triumphierend.

Kalle drehte sich nicht einmal um. Er nestelte an seiner Hosentasche, entnahm der Börse zwei Zehnpfennigstücke, warf sie über seine Schulter in den Schankraum und sagte gegen alle Gewohnheit: „Herr Wirt, noch ein Bier!“.

Quelle: BACKEN & BANKEN
Willi Neumann, Salzburg